W O L L E , W E I N , V I S I O N E N WAS FÜR EINE Spinnerei ZU BESUCH Bis heute findet man in Babels- berg Spuren der böhmischen Weber, die hier lebten. Dort, wo sie einst unter harten Bedingungen, häufig bis spät in die Nacht, am Webstuhl arbeiteten, spinnt heute das Museum der Weberstube ihre Geschichten weiter. IM WEBERVIERTEL Lieber Herr Huxol, wenn man Sie bei einem Besuch in der Weber- stube antrifft, spürt man sofort Ihre Leidenschaft für das Viertel und seine Geschichte. Wie kam es dazu ? Als Techniker hatte ich beruflich viel mit Zahlen, Daten und Fakten zu tun. Zum Ausgleich habe ich mich privat schon seit Jahren mit der Herkunft der Familie, also der Genealogie, beschäftigt. Damit war das Interesse an historischen Ereignissen geweckt. Die Arbeit im Archiv des Vereins hat mich speziell auf das Thema Babelsberg Nowawes gelenkt. Ich wohnte schon etliche Jahre in Babelsberg, ohne die geschichtlichen Hintergründe zu kennen. Ich finde diese Aufgabe einfach sehr spannend, auch weil ich fest- stelle, dass immer mehr Einwohner sich für die historischen Wurzeln ihres Stadt- teils interessieren. wicklung von Wollmanu fakturen hielt er in ganz Preußen für besonders wichtig, da große Mengen teurer Spinnwolle, insbe- sonders aus Sachsen, importiert werden mussten. 1753 wurde mit der Einweihung der Kirche auf dem jetzigen Weberplatz die erste Bauphase abgeschlossen. In 150 bescheidenen Fachwerk-Doppelhäusern lebten etwa 700 Menschen, vor allem Weber und Spinner mit ihren Familien. Nach dem Siebenjährigen Krieg wurde Nowawes ab 1763 um etwa 50 Häuser er- weitert. In diese Häuser zogen „ausländi- sche“ Bauhandwerker, die für den Bau des Neuen Palais benötigt wurden. Sie kamen aus Sachsen, Thüringen, Bayern oder der Schweiz. Natürlich gab es neben Webern, Spinnern und Wollstreichern auch die notwendigen Dorfhandwerker zur Selbst- versorgung der Koloniebewohner wie Bäcker, Schlachter, Maurer, Stellmacher, Schlosser, Tischler und Schneider. Zwei kleine Räume erzählen von der über 200 Jahre alten Geschichte der Dörfer No- wawes und Neuendorf, von dem Leben der Weber und Spinner und vom Aufblühen der beiden Orte. Der vordere Raum lässt erahnen, wie be- scheiden die ersten Bewohner des Hauses gelebt haben. Ein großer Webstuhl erfüllt den Raum, historische Utensilien wie Spinn- und Spulrad, Schiffchen und Spulen doku- mentieren die Arbeitsmittel. Wie kam es zu der Gründung dieses Weberviertels ? 1750 ließ Friedrich II. durch den da- maligen Oberst Wolf Friedrich von Retzow einen Aufruf zur Gründung einer böhmi- schen Weber- und Spinner kolonie veröf- fentlichen. Die Kolonie Nowawes stand in einer Traditionslinie brandenburgisch- preußischer Siedlungspolitik, die Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Preußen, der Große Kurfürst, nach dem verheerenden Dreißigjährigen Krieg begründet hatte. Friedrich II. beabsichtigte mit der Grün- dung von Nowawes eine bessere Versor- gung des Landes mit Wollstoffen. Die Ent- Die sogenannten Weberhäuser sind Typenhäuser und prägen das Gesicht des Viertels. Können Sie uns den Aufbau der Häuser beschreiben und uns einen Ein- blick davon geben, wie es sich darin lebte ? Das typische Weberhaus hat an der Frontseite fünf Achsen : Fenster – Fenster – breite Tür – Fenster – Fenster. Auf jeder Seite wohnte eine Familie. Hinter den zwei Fenstern der Straßenseite befand sich die Stube, die gleichzeitig auch der Arbeitsraum des Webers war. Dort stand der Webstuhl. Eine Tür führte von dort in 11