50 Millionen Karteikarten mit Bezug zu Schicksalen Zweiter Weltkrieg, die Auskunft über bis zu 20 Millionen Familien in Deutschland geben. Diese ganzen Daten haben wir über die Jahre digitalisiert, um noch effizienter zu arbeiten, auch wenn es das Archiv in Papierform natürlich immer noch gibt. Außerdem arbeiten wir heute eng vernetzt mit den anderen Nationalen Rotkreuz-Gesellschaften, wie dem Pol- nischen oder Norwegischen Roten Kreuz, zusammen, um gemeinsam Antworten für die Familien der Verschollenen zu finden. Wie erfolgreich ist Ihre Arbeit? Wir haben eine sehr gute Erfolgsquote und können 43 Prozent der Suchanfragen im Kontext der Schicksals- klärung Zweiter Weltkrieg aufklären. Wenn Menschen bei uns anfragen, bekommen sie eine Kopie der Akte aus der Kriegsgefangenschaft mit allen Informationen, zum Beispiel über die Dauer der Kriegsgefangenschaft, ob das gesuchte Familienmitglied krank wurde, wo die Person ggf. gestor- ben ist, etc. An dieser Stelle wird die Bedeutung unserer föderalen Aktivitäten als DRK deutlich: Diese Arbeit wäre ohne die DRK-Landes- und Kreisverbände nicht möglich. Die Gliederungen waren bereits nach dem Zweiten Welt- krieg bei der Registrierung von Zurückkommenden, Flücht- lingen und Vertriebenen beteiligt. Aktuell haben wir dank der Suchdienst-Beratungsstellen von Landes- und Kreis- verbänden 90 Standorte im ganzen Bundesgebiet. Sie sind wichtige Anlaufstellen für alle, die Anliegen bezüglich der Schicksalsklärung haben. Was bedeutet es für Angehörige, wenn Informationen über Vermisste gefunden werden? Ein uneindeutiger Verlust, also wenn man jemanden vermisst, der spurlos verschwunden ist, ist etwas sehr Schwieriges. Es gibt wegen der Ungewissheit keine Mög- lichkeit, durch einen Trauerprozess zu gehen und das Gan- ze zumindest zum Teil zu verarbeiten. Viele Menschen blei- ben in einer Art ruhelosem Zustand. Wir hatten erst wieder einen solchen Fall: Ein junges Mädchen wurde im Zweiten Weltkrieg von ihrer Familie getrennt und konnte ihre Eltern nicht mehr finden. Ihr Leben lang suchte sie nach ihrer Identität. Erst vor kurzem stellte sie beim DRK-Suchdienst eine Anfrage, und wir konnten ihr mitteilen, wie ihre Eltern hießen und wie sie eigentlich selbst hieß. Für sie bedeutete Zentrale Namenskartei (ZNK) des DRKSuchdienstes mit Dokumenten zu Vermissten und Suchenden des Zweiten Weltkrieges in München. Vermisstenbildliste mit den Porträts von gesuchten Soldaten der Wehrmacht. das die Welt. Sie konnte deshalb leibliche Angehörige ken- nenlernen, wenn auch nicht ihre Eltern. Dieser Fall unter- streicht die zentrale Rolle und den Wert der eignen Familie für das Leben der meisten Menschen. Der Zweite Weltkrieg endete vor 80 Jahren. Welche Be- deutung hat der Suchdienst für die Aufarbeitung der Kriegsfolgen? Auch dies möchte ich an einem konkreten Beispiel einer Frau festmachen, die eine Suchanfrage bei uns gestellt hat. Als der Vater dieser Frau während des Zweiten Weltkriegs spurlos verschwand (später stellte sich heraus, dass er in Kriegsgefangenschaft geraten war), war sie erst zwei Jahre alt. Die Großmutter, deren einer Sohn im Krieg starb, wäh- rend der zweite verschwunden war, zerbrach daran. Die Mutter musste damals arbeiten, damit die Familie irgend- wie über die Runden kommt. Deshalb wuchs die zweijähri- ge Tochter bei ihrer gebrochenen Großmutter auf und sah ihre Mutter nur zweimal im Jahr. Auch das sind die Folgen eines bewaffneten Konflikts, die über Jahrzehnte anhalten und die Millionen von Familien betrafen. Diese Folgen von bewaffneten Konflikten dürfen nicht vergessen werden. Wir sorgen also nicht nur für Schicksalsklärung bezüglich Aufarbeitung, sondern auch dafür, dass wir durch die Be- nennung der vielfältigen Folgen in Erinnerung rufen, wie schlimm bewaffnete Konflikte sind. Sehen Sie diese Teilaufgabe des Suchdienstes als er- füllt an? Das Ausmaß der Vermisstenfälle nach dem Zweiten Welt- krieg war enorm, deshalb hat sich der Suchdienst in Deutschland als langfristige Aufgabe etabliert. Wir konnten mehrere Millionen Fälle klären und für Gewissheit sorgen. Aber unsere Aufgabe ist noch lange nicht abschließend er- füllt. Wir spüren weiterhin ein großes Interesse, jedes Jahr erreichen uns zwischen 7.000 und 10.000 Anfragen allein zur Schicksalsklärung Zweiter Weltkrieg. Und selbst das könnte noch viel mehr sein, denn ich habe die 2 Millionen Datensätze genannt, die wir in den 90er-Jahren aus der ehemaligen Sowjetunion erhalten haben. Es lohnt sich also, eine Anfrage bei uns zu stellen (zum Beispiel unter drk-suchdienst.de, dieses Angebot ist für Familienangehö- rige kostenfrei), selbst dann, wenn das in der Vergangen- heit schon einmal erfolgt ist. Wir können in den kommen- den Jahren noch für viel Aufklärung sorgen und machen uns deshalb dafür stark, dass die Schicksalsklärung auch in Zukunft durch Finanzmittel des Bundesministeriums des Innern und für Heimat gefördert wird. 11